Interview mit Bravos OL Yasir Raji
- balouelf
- 20. Juni
- 7 Min. Lesezeit

Foto: Just Shots@justshots.de
Balou: Hallo Yasir, vielen Dank das du dir die Zeit nimmst, mir für „Nur meine Meinung“ ein paar Fragen zu beantworten. Würde man deinen besten Freund bitten dich mit 3 Wörtern zu beschreiben, was denkst du welche das wären?
Yasir: Hallo, ich denke er würde sagen: (extrem) lustig, (extrem) gutaussehend und (komplett) delusional. (lacht)
Balou: Wie bist du zum Football gekommen und was hat dir zu Beginn an dem Sport gefallen?
Yasir: Ich habe früher Kreisliga Fußball gespielt und saß immer auf der Bank. Über die Jahre sind welche aus meinem Verein zum Football gewechselt und nachdem ich über Jahre immer beim Training war und nicht spielen durfte, habe ich entschieden irgendwann auch zum Football zu wechseln. Beim Football wird man accountable gehalten. War noch nie in einem Footballteam bei der jemand nie beim Training war und dann bei einem Spiel auftaucht und trotzdem vor mir spielen durfte.
Und egal ob du dick, dünn, groß, klein, kräftig oder schmächtig bist, there is a place for you in Football.
Balou: Wie alt warst du, als du zum Football gekommen bist? Und hat es dich gleich beim ersten Training gecatcht?
Yasir: Ich habe mit 16 mit Football angefangen. Und nee, ich war dumm wie Brot und hatte keine Ahnung von Football. Und es hat anderthalb Jahre und 3 verschiedene Positionen gebraucht bis ich endlich mal den Sport verstanden habe und es richtig genießen konnte. Das gute ist, wenn ich etwas anfange, ziehe ich es durch! (lacht)
Balou: Schauen wir mal auf deinen Wechsel. Wie unterscheidet sich dein Alltag als Import in Madrid, zu vorher als Homegrown bei Fire?
Yasir: Als Homegrown musste ich nebenbei noch arbeiten um mich über Wasser zu halten. 2023 habe ich im Gym gearbeitet und 2024 im Lager. Im Gym musste ich 4 Uhr aufstehen und 6 Uhr auf der Matte stehen, wenn ich Frühschicht hatte, im Lager alles 2 Stunden später. Nach der Arbeit ging es in Gym und direkt nach dem Gym zum Training. Also viel Zeit für mich hatte ich selten.
In Madrid habe ich natürlich alle Zeit für mich und da wir erst spät abends Training haben (20:30/21:30-23:30/0:15) habe ich selbst an Trainingstagen, sehr viel Freizeit. Ich schlafe für gewöhnlich aus, mache früh morgens Cardio, danach geht es zu Madrid Facility zum Liften mit den Jungs. Es ist dann meist gegen 13-14 Uhr und dann wird Film vom Gegner oder Practice geschaut und analysiert, entspannen im Pool und erledigt jegliche Besorgungen die man über den Tag noch machen muss. Bis wir dann zwischen 18 und 19 zur Facility für Meetings fahren.

Foto: Foot Bowl/Roberto Benito Hernandez
Balou: Hattest du schon Gelegenheit Madrid zu erkunden und in welcher Form kümmert sich eine Franchise wie die Bravos um die Imports?
Yasir: Klar, wenn man schon im Madrid ist, sollte man die Chance nutzen die Stadt zu erkunden und das Wetter zu genießen.
Die Bravos stellen wie jede Franchise seinen Imports eine Unterkunft, für Verpflegung wird auch gesorgt und die haben ihre eigene Facility mit einem guten Gym die wir jederzeit nutzen können und einem Reha-Bereich mit Physios, Eisbädern und verschiedenen Rehabutensilien. Und Kleinigkeiten die wir für den Alltag brauchen, wird einem auch gestellt.
Balou: Coach Weidinger gilt als Offensives Mastermind. Du kennst ihn inzwischen was länger. Was macht ihn als Coach und als Mensch für dich aus?
Yasir: Andrew ist einfach ein sympathischer Mensch. Es ist so, als hättest du deinen besten Freund als Coach. Er findet die richtige Balance Dinge locker und mit Humor zu nehmen und trotzdem den Spielern die Ernsthaftigkeit der Lage rüberzubringen. Genauso weiß er wie er seine besten Spieler in Szene setzen kann. Viele Coaches haben ihr System und versuchen trotz begrenzter Mittel/Spieler/Personell ihr System durchzusetzen. Andrew nimmt das was er hat und passt sein System dementsprechend an. In Potsdam waren wir ein „heavy run Team“ mit viel Read Option, da unsere besten Mittel unser RB und unser mobiler QB war. Barcelona war eine Spread Offense. Rhein Fire war vermutlich das erste Team, indem er alle Mittel zur Verfügung hatte und sein gesamtes Playbook ausschöpfen konnte.
Dazu kommt noch, dass er wie ein kreatives Kind ist, was zu viele Ideen hat und versucht diese Ideen auf dem Feld durchzusetzen. Ob er einen Spielzug von einem NFL-Team klaut oder einen Spielzug vom Gegner und es in sein Playbook einbaut.
Er ist natürlich auch sehr schnell frustriert, wenn man seine Ideen nicht direkt umsetzen kann und malt direkt den Teufel an die Wand. (lacht)
Balou: Du hast schon so einige gute QBs beschützt, mit Reid Sinnett jetzt vielleicht sogar den größten Namen, den wir bisher in GFL/ELF gesehen haben. Was ist er für ein Typ und was macht sein Spiel für dich aus?
Yasir: Reid ist wesentlich mehr „down to earth“ als es anfänglich den Anschein hatte. Aber das lag vielleicht auch daran, dass ich Vorurteile gegen Menschen habe die Golf spielen (lacht).
Klar war es für ihn ein Kulturschock, mit was für Bedingungen er in Europa spielen muss, wie man auch in seinen Videos sieht, aber er hat sich schnell angepasst. Aber alles in allem merkt man ihm die NFL-Erfahrung wirklich an. Er hat sehr viel Ahnung von den verschiedenen Schemes und ist sehr gelassen unter Druck. Zwischen ihm und Andrew ist es nicht wirklich eine Coach - Spieler Relationship, sondern fast zwei ebenbürtige, die Ideen untereinander austauschen. Was einem natürlich als O-Liner hilft ist, einen QB zu haben der die Ruhe weg hat und eine Antwort auf die meisten Probleme hat, vor die uns Defenses stellen.
Balou: Wie schätzt du den diesjährigen Titelkampf ein, welche Teams siehst du im Titelrennen und welche Rolle traust du euch zu?
Yasir: Natürlich werde ich sagen, dass mein Team die Madrid Bravos im Titelrennen dabei sind.
Aber alles in allem ist die Liga in den Top 10 ausgeglichener dieses Jahr. Nordic Storm hat mit dem Blowout gegen Frankfurt ein Statement gesetzt. Aber ich denke Vienna, Stuttgart, Nordic, Paris und Rhein Fire nehmen sich nichts untereinander. Momentan kann jeder jeden schlagen und jeder hat eine Chance dieses Jahr den Titel zu holen. Und es ist ja auch interessanter, wenn es keinen klaren Favoriten gibt. Nordic muss noch Rhein Fire spielen und Vienna spielt noch Paris. Da wird sich nochmal zeigen wie dominant die 2 ungeschlagenen Teams dieses Jahr sind. Aber ich bezweifle, dass es dieses Jahr ein ungeschlagenes Team geben wird und es werden interessante Playoffs.
Wenn wir die Fehler in der Offense ausmerzen können und unsere Defense sich ein wenig improved können wir sicherlich im Titelrennen dabei sein. Aber wir haben mit 2 Niederlagen auch nicht mehr so viel Spielraum für Fehler.
Zumindest sind unserer Spiele nicht langweilig. (lacht)
Balou: Du kämpfst Woche für Woche an der Line gegen die besten D-Liner die Europa zu bieten hat. Wer waren die größten Herausforderungen bisher?
Yasir: Momentan würde ich diese Season unsere Gegner als relativ gleichwertig betrachten. Keine Front war besonders stark. Fairerweise müsste man sagen, dass die Enthroners durch ihre Stunts hier und da Probleme bereitet haben besonders mit ihrem neuen Linebacker Gavin Potter der sehr „shifty in space“ und ein guter Passrusher ist. Vielleicht liest das ja jemand bis nächste Woche Samstag und ist in der Küche und kocht vor Wut.
Balou: Nehmen wir mal an, du wärst Play-Caller der Bravos. Championship Game, ihr liegt 3 Punkte hinten. Der Ball auf der 3, 4. Versuch, noch 4 Sek. auf der Uhr. Kickst du oder spielst du den 4. aus (und falls du ihn ausspielst, callst du einen Lauf oder Pass)?
Yasir: Uh schwierige Frage, ehrlich gesagt. Dadurch dass beide Teams bei der ELF Overtime Rule den Ball bekommen, ist es analytisch gesehen smarter fürs Fieldgoal zu gehen. Im Vergleich zum Raiders Spiel, bringt uns die waghalsige Entscheidung dafür zu gehen keinen net Positive. Jetzt haben wir noch 7 Spiele vor uns nach der Niederlage. In deinem Szenario wäre die Season vorbei. Ist natürlich alles auch vom Kicker abhängig, aber aus der Entfernung ist das wahrscheinlich zu 98% sicher, dass er trifft. Da es der vierte Versuch ist, kann man auch nicht das Argument bringen, dass unsere Offensive insgesamt besonders „hot“ ist und "leave the Ball in the hot hand" sagen da wir die 3 Versuche vorher an der Goalline gestoppt wurden. Das heißt “take the safe 3 points”, gleich aus und gewinn das Spiel in der Overtime. Ich weiß langweilig aber in dem Szenario die smarteste Entscheidung.
Balou: Ich muss noch mal nachhaken, was meinst du genau mit „net positive“?
Yasir: Mit der Niederlage gegen die Raiders, haben wir immer noch 7 Spiele in denen wir 6-1 oder im schlimmsten Fall 5-2 gehen können, um unsere Season zu retten nach der Niederlage. Im Finale würde die Entscheidung dafür zu gehen im schlimmsten Fall zum Ende der Season führen und es hat uns nichts gebracht außer der Tatsache, dass wir sagen können „we tried to win“.

Foto: Just Shots @justshots.de
Balou: Mein Blog heißt "Nur meine Meinung …", weil ich es wichtig finde, eine eigene Meinung zu haben und gleichzeitig andere zu akzeptieren. Wenn du dir irgend jemand aussuchen könntest (egal ob reale, fiktive oder historische Person), mit wem würdest du gerne mal diskutieren und Meinungen austauschen? Und was wäre das Thema?
Yasir: Ich habe vor ein paar Monaten die Serie Dr. House begonnen und identifiziere mich ein wenig mit seinem Mantra, dass „Everybody lies“, also dass Menschen nicht die Wahrheit hören bzw. erzählen wollen. Sie leben lieber in einer Version der Wahrheit, die bequemer ist, als sich mit der echten, manchmal unbequemen Realität auseinanderzusetzen.
Darüber würde ich sicher gerne mit House diskutieren (lacht).
Balou: Yasir, ich danke dir, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast und wünsche dir eine erfolgreiche, verletzungsfreie Season 2025!
Yasir: Immer wieder gerne.
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